Bildquelle: photocase.com // Judywie Spitzenkandidat Nils Schmid: „Die SPD drängt darauf, eine wirksame Förderung armer und sozial benachteiligter Kinder im Land schnell umzusetzen“
Sozialexpertin Katrin Altpeter: „Die Kommunen sind für die Förderung sozial schwacher Kinder weit besser geeignet“
Bürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer: „MAUS bietet eine einfache kommunale Antwort, um benachteiligte Kinder und Jugendliche besser am Bildungssystem zu beteiligen“
Der Spitzenkandidat und Fraktionsvizechef Nils Schmid fordert die Landesregierung auf, die Förderung bedürftiger Kinder und Jugendlicher auf Landesebene neu zu regeln, auch wenn die endgültige Einigung im Vermittlungsausschuss des Bundesrats noch bevorstehe. Schließlich hätten Kinder und Jugendliche von Hartz-IV-Empfängern seit Beginn 2011 einen Rechtsanspruch auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe etwa bei Vereinen, wie das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat. „Die SPD drängt darauf, die wirksame Förderung armer und sozial bedrohter Kinder schnell umzusetzen“, sagt Schmid. Er verweist auf das Mannheimer Projekt MAUS als herausragendes Beispiel, mit dem sozial benachteiligte Mädchen und Jungen einen besseren Bildungserfolg erzielen könnten. Der Spitzenkandidat unterstützt die SPD-Forderung nach einem nationalen Bildungspakt, der die flächendeckende Einführung von Schulsozialarbeitern an allen Schulen, die schrittweise Einführung gebührenfreier Betreuungsangebote etwa bei Kindertagesstätten sowie die Lernmittelfreiheit beinhaltet.
Die SPD sieht mehrere Bereiche, die nach dem Urteil der Bundesverfassungsrichter unabhängig von den Verhandlungen auf Bundesebene auf jeden Fall zu ändern wären. Das Land könne hier Verbesserungen für die etwa 180.000 leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen schnell umsetzen, zumal sie rechtlich rückwirkend zum 1. Januar 2011 eingeführt werden müssen. So steht bereits fest, dass in den Schulen Baden-Württembergs, die ein Mittagessen anbieten, die Uhren anders ticken. Landesweit müssen die Mittagsmahlzeiten für bedürftige Kinder aus Mitteln des Bundes bezuschusst werden. Schon dieser Schritt hätte eigentlich einen monatelangen Vorbereitungsprozess verlangt, erklärt Katrin Altpeter, Sozialexpertin der Fraktion. Das zeigten auch Erfahrungen aus Stuttgart. Noch komplexer sei die Vorbereitung auf einen Nachhilfeunterricht für bedürftige Kinder und Jugendliche. Ob Jungen und Mädchen eine solche Förderung bräuchten, könne aber nur von der Schule selbst festgestellt werden. „Auch die Schulen können ohne Umsetzungshilfen des Kultusministeriums nicht angemessen handeln“, sagt Altpeter.
Jetzt sei durch das verzögerte Gesetzgebungsverfahren im Bund sogar die Situation eingetreten, dass die Bundesagentur für Arbeit zwar Anträge auf diese Leistungen entgegennehme. Es sei aber noch nicht klar, ob sie vor Ort überhaupt umgesetzt werden könnten. So drohe eine Diskriminierung der Hartz IV-Kinder bei der Essensausgabe. Sie müssten Quittungen beim Schulmittagessen sammeln und würden sich so entsprechend outen. Schließlich wird das von Bundesministerin von der Leyen favorisierte Chipsystem zwar in Stuttgart angewandt, nicht aber darüber hinaus im Land. Offen sei auch, ob die jeweilige Ausgabestelle für das Essen überhaupt von der Arbeitsagentur anerkannt werde. „Die Landesregierung hätte diese Diskriminierung mit einer besseren Vorbereitung verhindern können“, sagt Sozialexpertin Altpeter.
Darüber hinaus bereitet die Bundesagentur für Arbeit nun die Leistungen für Bildung und Teilhabe vor. Es könne nicht sein, dass die unzweifelhaft besser geeigneten Kommunen jetzt übergangen werden, unterstreicht die SPD-Abgeordnete. Und: „Die Agenturen für Arbeit müssen nun vor Ort voraussichtlich nur für wenige Wochen Aufgaben übernehmen und Personal dazu schulen, was Kommunen aus dem Stegreif könnten“, sagt Altpeter. Die SPD will das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auch zum Anlass nehmen, allen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen auf eine gute Schulbildung zu ermöglichen und die Bildungsinfrastruktur in Deutschland entscheidend zu verbessern. Dazu müssten die Schulen Kinder mit Lernproblemen besser individuell fördern. Dass es dafür sehr gute Möglichkeiten gibt, verdeutlicht Bürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer am Beispiel des Mannheimer Unterstützungssystems Schule, kurz MAUS.
Stadt Mannheim stellt Förderstunden zur Verfügung
MAUS geht aus von zwei Grundannahmen: Zum einen kann die Schule die gesellschaftlichen Anforderungen, die an sie gerichtet werden, nicht mehr alleine erfüllen. Zum anderen sind die kommunalen Kultur- und Bildungseinrichtungen in der Lage, den Schulerfolg der Kinder und Jugendlichen erheblich zu fördern. Ziel ist letztlich eine lückenlose Bildungskette vom Kindergarten bis zur Berufsausbildung. Die Stadt Mannheim stellt dafür aktuell elf teilnehmenden Schulen (Förder-, Grund- und Werkrealschulen sowie Gymnasien) 10.000 Förderstunden für jährlich 324.000 Euro zusätzlich zur Verfügung. Sie können über ein Baukastensystem maßgeschneiderte Angebote aus rund 250 Kursen für eine individuelle Förderung zusammenstellen. Die Kurse umfassen Schulfächer wie Deutsch, Mathe und Englisch bis hin zu Themen wie Theaterworkshops und Seminare zur Selbstbehauptung. Sie werden von anerkannten Trägern der Aus-, Fort- und Weiterbildung wie Abendakademie, Stadtbibliothek, Musikschule angeboten. „Die Schulen wissen doch am besten, welche individuelle Unterstützung und Förderung ihre Schüler brauchen“, erklärt die Bildungsdezernentin.
Dieses Fördersystem wird seit drei Jahren umgesetzt. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts durch die Universität Würzburg könne schon nach kurzer Zeit messbare Erfolge nachweisen, insbesondere bei der Persönlichkeitsentwicklung der Schüler. Damit sei eine zentrale Voraussetzung für den persönlichen Lernerfolg geschaffen.
Das
Prinzip MAUS ist so erfolgreich, wie einfach:
- Schulen erhalten nach einem Bewerbungsverfahren, das vor allem die soziale Zusammensetzung der Schüler berücksichtigt, von der Kommune fortlaufend 20 Wochenstunden als zusätzliche Förderstunden.
- Hierzu stehen Lehrkräfte und andere Pädagogen aus der Städtischen Musikschule, der Stadtbibliothek, der Jugendförderung, dem Stadtmedienzentrum und der Mannheimer Abendakademie zur Verfügung.
- Jeder Anbieter entwickelt ein Angebot nach seiner fachlichen Bandbreite, auf Anfrage und in Abstimmung mit den Schulen.
- Die Anfragen der Schulen richten sich nach dem ausgewählten Förderbedarf der Kinder und Jugendlichen.
- Inhaltlich ist durch die Vielzahl der Anbieter ein vielseitiges Repertoire besonders im kulturellen Bereich vorhanden. Schulen nehmen dieses Angebot an und greifen insbesondere für die leistungsschwächeren Schüler auf Angebote zurück, die sie selbst nicht leisten können.
- Durch die Anbindung in der Schule und die Attraktivität des Angebots in allen Schularten hat MAUS für benachteiligte Kinder keine diskriminierende Wirkung.
„MAUS bietet eine einfache kommunale Antwort, um benachteiligte Kinder und Jugendliche besser am Bildungssystem zu beteiligen“, sagt die Bürgermeisterin. Und: „Mannheim möchte die Verzögerungen nicht mehr hinnehmen und geht neue Wege.“ Das Projekt hat Vorbildcharakter. Auch Vertreter aus Karlsruhe, Heidelberg, Magdeburg, Schwetzingen, Flensburg und Freiburg haben sich darüber informiert und es zum Teil schon umgesetzt.
MAUS-Projekt soll soziale Benachteiligung ausgleichen
Die SPD fordert deshalb die Landesregierung auf, das Mannheimer Projekt MAUS als Beispiel dafür zu nehmen, wie soziale Benachteiligungen direkt im Bildungssystem ausgeglichen werden könnten. Dafür ließen sich die Mittel, die der Bund jetzt zuschießen muss, sehr gut verwenden. „MAUS wäre eine gute Antwort auch für Baden-Württemberg, um endlich den größten Fehler seines Bildungssystems auszugleichen: den Lernerfolg entsprechend dem Geldbeutel der Eltern“, erklärt Nils Schmid. Während Schwarz-Gelb mit der Bildungscard lediglich eine Hülle vertrete, sei damit ein bildungspolitisches Konzept möglich. Die jetzige Umsetzung durch die Bundesagentur für Arbeit sehe eine Leistung nur für „außerschulische Lernförderung“ vor. Das sei weder Inhalt des bisherigen Gesetzesbeschlusses, der gerade im Vermittlungsverfahren steht, noch Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, betont Schmid. Die SPD verlangt, dass die finanzielle Unterstützung für benachteiligte Schüler durch den Bund über die Kommunen an die Schulen geht. Das von der CDU geplante System fördert dagegen die außerschulischen Nachhilfeträger, also vor allem private.
Die SPD kritisiert, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Bund so verzögert umgesetzt werde. Schwarz-Gelb habe das Gesetzgebungsverfahren viel zu spät eingeleitet, weil sich Bundesministerin von der Leyen mit ihrem Vorschlag einer „Bildungscard“ zu sehr in ein Detail verrannt habe. Der Geist von Schwarz-Gelb zeige sich daran, dass demgegenüber Kürzungen für einkommensschwache Familien bereits zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten sind. So werde mit Unterstützung von Ministerpräsident Mappus das Elterngeld für bedürftige Haushalte gestrichen. Damit stehen jetzt den über 10.000 armen Familien in Baden-Württemberg monatlich 300 Euro weniger zur Verfügung. Und für etwa 150.000 Bedürftige in Baden-Württemberg werden keine Beiträge zur Rentenversicherung mehr bezahlt. Hinzu kommen der höhere Krankenkassenbeitrag, der einkommensschwache Haushalte knapp oberhalb von Hartz IV trifft, und die noch nicht absehbaren Folgen des Einstiegs in die Kopfpauschale. „Wohin man schaut, wird klar und deutlich: Schwarz-Gelb benachteiligt die ärmeren Menschen im Land“, sagt Schmid.